- service - Moment mal...
Auf einem Radweg begegnet mir immer mal wieder ein kleines Wunder:
Mitten im Asphalt wächst und blüht ein kräftiger
Löwenzahn und fällt jedem Betrachter richtig ins Auge. Ich
habe seine Entwicklung Bild für Bild miterleben dürfen, weil
ich des Öfteren dort fahre. Zuerst wölbte sich der Asphalt,
dann entstand ein kleines Loch, ein kleiner Halm kam zum Vorschein, aus
ihm entwickelte sich ein kleines Blatt, und mittlerweile war die
Asphaltdecke weiter aufgebrochen. Jetzt befindet sich ein richtiges
Loch darin, das beherrscht wird von dem Löwenzahn. Wenn das kein
Wunder ist! Da ist diese dicke, feste, zentimeterstarke Decke,
völlig undurchlässig, und die wird durchbohrt und hochgehoben
von einer zarten Pflanze. Unmöglich! Und doch erlebbar.
So anrührend ist auch ein Sonnenuntergang oder ein Blick auf das
weite Meer, ebenso wie die Sicht vom Gipfel eines Berges oder auch ein
Bad frühmorgens eben nach Sonnenaufgang in einem stillen See. Wir
lesen vom Staunen der Astronauten, die die Erde umkreisen. Das sind
Blicke, die ein Leben verändern. Wer solche Momente planen,
konservieren oder bewerten will, dem fehlt etwas ganz Bestimmtes:
Ehrfurcht und Demut. Demut zeigt sich im Staunen, Ehrfurcht im Danken
– und beides gilt dem, der das alles geschaffen hat und uns
schenkt: Gott. Einige Menschen werden sprachlos, andere haben
Tränen in den Augen vor so viel Schönheit. Da ist kein Platz
mehr dafür, solche Momente nach ihrem Wert einzuschätzen, das
wäre Hochmut. Demut zeigt sich anders. Sie fährt auf dem
Fahrrad nicht am Löwenzahn vorbei, sondern sie hält an, beugt
sich nach unten und lässt das Wunder auf sich wirken. Danach
kommen Ehrfurcht und Dankbarkeit zum Zuge, nämlich dem
gegenüber, der das geschaffen hat und uns Menschen in diese
Schöpfung hineingestellt hat: der Schöpfergott. Demut hat
nichts mit Unterwürfigkeit zu tun, sondern sie ist das dankbare
Annehmen dieser wunderbaren Momente.
Der Apostel Petrus hat in seinem Brief den folgenden Satz geschrieben:
„Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen
gibt er Gnade.“ Gnade ist immer ein unverdientes Geschenk. In
seinen Wundern begegnet uns Gott, und die Begnadeten erkennen IHN darin.
Uwe Bachmann
Foto:
Ferdinand Ohms / pixelio.de